martedì 7 dicembre 2010

Ein Anruf bei...Giuseppe Proietti, römischer Landeskonservator, der eine Penisprothese für eine antike Statue des Kriegsgottes Mars genehmigte

Ein Anruf bei...Giuseppe Proietti, römischer Landeskonservator, der eine Penisprothese für eine antike Statue des Kriegsgottes Mars genehmigte
Marten Rolff
Süddeutsche Zeitung 20/11/2010

Die Restaurierung der berühmten Doppelstatue von Mars and Venus erzürnt die Italiener. Viele erkennen das kostbare Marmor-Ensemble aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr., das im römischen Regierungssitz Palazzo Chigi steht, nicht wieder. Auf Geheiß Berlusconis wurden bei der Statue ein Arm der Venus sowie eine Hand and das fehlende Geschlechtsteil des römischen Kriegsgottes ersetzt. Manche vermuten nun, es sei sogar verlängert worden - auf besonderen Wunsch des Premiers, der zuletzt vor allem wegen Sexpartygerüchten in die Schlagzeilen geraten war. Roms früherer Chefkonservator Giuseppe Proietti halt die Aufregung für unnötig.
SZ: Signor Proietti, Sie haben die Restaurierung der Mars-Venus-Gruppe genehmigt, sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Proietti: Das kann ich leider nicht beantworten. Ich muss zugeben, das Ergebnis noch gar nicht gesehen zu haben, weil ich während der Arbeiten pensioniert wurde. Aber ich möchte betonen, dass das Wort "Restaurierung", das jetzt viele nutzen, nicht richtig ist. Es handelt sich vielmehr um eine ästhetische Ergänzung der Statue.
SZ: Wo liegt denn da der Unterschied?
Proietti: Das ist etwas völlig anderes. Die Statue ist eine antike römische Kopie eines griechischen Originals, wie es sie vor allem in der Kaiserzeit häufig gegeben hat. Ihre Ergänzungen beruhen auf einer sorgfaltigen wissenschaftlichen Studie, für die Abbildungen anderer Kopien desselben griechischen Vorbildes miteinander verglichen wurden. Bei der ästhetischen Korrektur hat man auf keine Weise in das römische Original eingegriffen. Die ergänzenden Teile wurden mit einer sehr innovativen Technik angefügt und sie können nahezu spurlos wieder abgenommen werden. Außerdem machen Frakturen für jeden sichtbar, wo die Trennung zwischen dem historischen und dem neuen Material verläuft.
SZ: Die vielen Wortspiele in der italienischen Presse legen nahe, dass sich viele nun vor allem für eine Frage interessieren: Signor Proietti, ist der Penis des Kriegsgottes unter Aufsicht der Wissenschaft einfach verlängert worden?
Proietti: Wie gesagt, ich kenne das Ergebnis noch nicht. Mir sind höchstens Abbildungen des Geschlechtsteils von anderen Kopien bekannt, aber der Verdacht einer Vergrößerung hat mich bisher wirklich nicht beschäftigt. Ehrlich gesagt, ich verstehe dieses große Echo nicht ganz. Da wird meiner Meinung nach von einigen auch recht pauschal geurteilt.
SZ: Dann ist es ungerecht, wenn einige jetzt mutmaßen, das erotische Interesse Ihres Ministerpräsidenten mache nicht einmal mehr vor der römischen Antike halt?
Proietti: Sagen wir: Womöglich war die Terminierung bei der Fertigstellung der Statue etwas ungünstig. Und zu einem anderen Zeitpunkt hatte es wohl nicht so eine Aufregung um ein Geschlechtsteil gegeben. Aber für die Wiederherstellung des Ensembles hat diese Diskussion mit Sicherheit keine Rolle gespielt. Der Vorschlag, antike Statuen ästhetisch zu ergänzen, ist ja wirklich nicht neu. Er wurde in der Regierung zum Beispiel bereits im Vorfeld des Italien-Besuches von Wladimir Putin gemacht. Damals war Putin noch russischer Präsident and es gab die Oberlegung, ob der Anblick korrigierter Büsten in der Residenz für den Gast nicht interessanter wäre.
SZ: Kunstkritiker sprechen bei der neuen Ästhetik der Mars-Venus-Gruppe nun höhnisch von Hollywoodstil.
Proietti: Natürlich ist das auch eine Geschmacksfrage. Aber die Standards italienischer Restauratoren sind allgemein sehr hoch, sie geben ihr Wissen in der ganzen Welt weiter. Auch ich persönlich trete sehr für den Erhalt des Originalzustandes ein. Andererseits ist die ästhetische Ergänzung mit internationalen Vorgaben der Denkmalpflege durchaus vereinbar. Auch wenn Sie nicht jedem gefällt. Bei der Statue im Palazzo Chigi war sicher von Bedeutung, dass sie nicht in einem Museum steht, sondern offizielle Besucher sie passieren.
SZ: Wie wird dieser Streit nun enden?
Proietti: Ich weiß es wirklich nicht, aber man konnte sich auf einen Kompromiss einigen. Warum zeigt man nicht einfach zwei Versionen des Ensembles?